Depressionen

Selbstmorde wegen Depressionen: Rate drastisch gesunken

Nürnberg - Etwa vier Millionen Menschen leiden bundesweit an Depressionen. Und ein großer Teil der jährlich mehr als 11 000 Suizide in Deutschland hat seine Ursache in depressiven Erkrankungen. Das berichtet die "Ärztezeitung". "Die Depression ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die jeden treffen kann - aber die Betroffenen sind behandelbar ist", sagt Professor Ulrich Hegerl von der Psychiatrischen Klinik der Uni München. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden schwere Depressionen in 20 Jahren nach den Herz-Kreislauferkrankungen weltweit die zweithäufigste Krankheit sein. Hegerl ist Sprecher des "Kompetenznetzes Depression, Suizidalität", ein Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung fünf Jahre lang mit jährlich rund fünf Millionen DM gefördert wird. Ein wesentlicher Bestandteil des Forschungsvorhabens ist das "Nürnberger Bündnis gegen Depression", das Anfang des Jahres mit dem Ziel gestartet wurde, bis Ende 2002 die Versorgung depressiv erkrankter Menschen in der Frankenmetropole zu verbessern und die Zahl der Suizide nachweisbar zu senken. Neun Monate nach dem Start des Aktionsprogramms, an dem Haus- und Fachärzte, sychotherapeutenund Medienexperten ebenso beteiligt sind wie Kirchen, Kliniken und staatliche Stellen, berichtet das Nürnberger Bündnis von einem drastischen Rückgang der Suizide. Von Januar bis September seien in Nürnberg so wenig Suizide registriert worden, wie seit 20 Jahren nicht mehr, heißt es. Einzelheiten zu den Erfolgen des Projektes sollen am 11. Oktober in Nürnberg bekannt gegeben werden. Im Kampf gegen die Depression haben die Hausärzte eine Schlüsselrolle, betont Hegerl. Mit dem gleichen Engagement wie in der Praxis nach Hypertonus und Diabetes gesucht wird, müsse auch nach "der großen Volkskrankheit Depression" gefahndet werden. Etwa elf Prozent der Patienten einer hausärztlichen Praxis leiden nach Hegerls Angaben an einer depressiven Erkrankung. "Die Patienten merken, daß in ihnen etwas vorgeht. Sie rücken aber oft körperliche Beschwerden in den Vordergrund, weil das für sie greifbarer ist", berichtet Hegerl über seine Erfahrungen. Deshalb müssen Ärzte gezielt danach fragen. Als Beispiel für eine Einstiegsfrage empfiehlt Hegerl eine Formulierung wie: "Sie machen einen verzweifelten Eindruck. Macht Ihnen das Leben keinen Spaß mehr?" In den vergangenen Monaten haben in Nürnberg viele Fortbildungsveranstaltungen vor allem für Hausärzte stattgefunden, berichtet Hegerl. Damit soll erreicht werden, daß Patienten, die an einer Depression erkrankt sind, früher erkannt und dann adäquat behandelt werden. Untersuchungen haben nämlich ergeben, daß etwa die Hälfte der Menschen in den vier Wochen vor einem Suizid noch bei ihrem Hausarzt waren, berichtet Hegerl. Deshalb werden in den Fortbildungsveranstaltungen vor allem das Erkennen und die Einschätzung einer Suizidgefährdung sowie der Umgang mit Suizidgefährdeten besprochen. Mit Plakaten und öffentlichen Veranstaltungen, mit Kinospots und Informationsbroschüren wurde zudem die Nürnberger Bevölkerung umfassend über die Krankheit Depression informiert, um so die Wahrnehmung für erste Anzeichen einer Depression zu schärfen. Dadurch seien Vorbehalte, aber auch Verharmlosungen abgebaut worden. Inzwischen habe er von Patienten und Angehörigen gehört, die Ärzte auf beobachtete Symptome einer Depression angesprochen haben, berichtet Hegerl über den erfolgreichen Verlauf der Aufklärungskampagne. Derzeit stehe im Mittelpunkt der Arbeit die Frage, ob und welche Faktoren des Aktionsprogramms zum Sinken der Suizidrate geführt haben. (hk)

Quelle: Netdoktor.de vom 07.10.2001

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