Depressionen

Auch Männer können depressiv sein

Von ddp-Korrespondentin Katrin Neubauer

Münster (ddp). Depressionen sind - nach der gängigen Auffassung - eine typische Frauenkrankheit. Dass bei Männern hinter übermäßigem Alkoholgenuss, Aggression und Reizbarkeit eine depressive Verstimmung stecken kann, ist für viele Ärzte ein eher abwegiger Gedanke. "Zwar sind Frauen etwa doppelt so häufig von dieser Krankheit betroffen wie Männer", sagt Klaus Wahle, Allgemeinmediziner und Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelm-Universität Münster. Das heißt aber, dass immerhin auch ein Drittel der Depressionen auf Männer entfällt.

Oftmals wird die Erkrankung bei Männern allerdings nicht als solche erkannt. Denn die Symptome sind zum Teil anders als bei Frauen. Während diese sich erschöpft, traurig und ängstlich fühlen, werden Männer oft zusätzlich aggressiv, nervös, greifen häufiger zur Flasche oder zur Zigarette. "Frauen suchen Hilfe beim Arzt. Männer ziehen sich in sich zurück, igeln sich förmlich ein", erläutert der Arzt.

Besonders häufig treten Depressionen bei Männern zwischen 45 und 50 Jahren auf. Die Ursachen sind vielfältig. Oft spielt eine Rolle, dass sie nicht mehr wie gewünscht funktionieren. "Die nachlassenden körperlichen und geistigen Fähigkeiten können mit der Belastung im Job nicht mehr in Einklang gebracht werden", betont der Mediziner.

Depressive Männer brauchen - wie Frauen auch - ärztliche Behandlung. Viele scheuen jedoch davor zurück, sagt Wahle. Wichtig sei, dass der Partner ihn ermutigt, notfalls auch drängt, zum Arzt zu gehen. Denn Auslöser für depressive Verstimmungen ist eine Störung des "Nervenstoffwechsels", die mit Medikamenten behandelt werden kann. Die Therapie gehört aber in die Hände eines Arztes. Selbstbehandlung richtet oft mehr Schaden an, als dass sie nützt.

Der Lebensgefährte kann in dieser Phase unterstützen, indem er vor allem Geduld und Verständnis aufbringt. «Sie sollten in der Verhaltensänderung ihres Partners keine Aggression gegen sich sehen», betont der Experte. Wichtig ist es, das richtige Maß an Toleranz, aber auch an Forderungen für den Kranken zu finden. Die Fähigkeit des Zuhörens ist in solch einer Phase besonders gefragt.

Auch kleine Erlebnisse abseits alltäglicher Routine können für etwas Aufmunterung sorgen. "Denn ein Depressiver sieht keine Sonne mehr, nur Schatten", sagt Wahle. "Ein Stück Sonne verschafft" man ihm, indem man ihn beispielsweise zu einem gemeinsamen Spaziergang animiert, einen kleinen Ausflug macht oder auch gemeinsam kocht. Vorsicht aber vor zu viel Aktionismus: Größere Reisen oder Feste können den Kranken überfordern und das Gefühl der Unfähigkeit seine depressive Verstimmung noch verstärken, warnt der Arzt.

Meist handele es sich bei der Erkrankung um eine "depressive Episode", die bei ausreichend langer Behandlung mit Medikamenten nach etwa neun Monaten vorüber sei, sagt Wahle. Voraussetzung ist jedoch eine adäquate Therapie. Andernfalls kann sich die Krankheit bis hin zu einer chronischen Depression entwickeln.

Quelle: Lichtblick-newsletter.de vom 05.05.2003

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