Dienstag, 28. September 2004
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SCHACH / Holger Heimsoth spielte gestern simultan gegen ganze
Tischreihen. Und er spielt gegen die Depression. War das wirklich schon
seine schwerste Aufgabe? "Ich hab´s hinter
mir", murmelt Holger Heimsoth auf dem Weg zu
den Schachbrettern. Dabei hat er noch eine ganze Menge vor sich: Gleich tritt
er beim Spiel der Könige gegen knapp 20 Gegner an. Gleichzeitig. Simultanschach
heißt das, und Heimsoth hat dabei nur eine Stunde
Zeit für alle Partien. Jeder seiner Gegner hat die gleiche Spielzeit nur für
seine eigene Partie zur Verfügung. Dem 38-jährigen Heimsoth
bleiben nur drei Minuten pro Spiel. Was nach einer Herkules-Aufgabe
klingt, bewältigt der Hüne Heimsoth erstaunlich
locker. Für jeden seiner Gegner hat er ein freundliches Wort und einen
Handschlag zur Begrüßung parat. Das Härteste hat er ja auch schon hinter
sich. Denn während die meisten
Hobby-Schachspieler sich wohl vor einer solchen Simultan-Partie ins Hemd
machen würden, hatte Heimsoth eher Angst vor der
kurzen, frei gehaltenen Begrüßungsansprache ans Publikum vor den Spielen.
Denn Holger Heimsoth ist es nicht gewohnt, in der
Öffentlichkeit zu stehen. Er leidet seit acht Jahren unter immer
wiederkehrenden Depressionen. Und das kleine Schachturnier fand in den Räumen
der Mülheimer Kontakte statt, einer Beratungsstelle für psychisch Kranke. "Vor einem Jahr hätte
ich mir das noch nicht zugetraut", sagt er. Doch nun wagt er den
Schritt. Auch um anderen psychisch Kranken Mut zu machen. Denn neben den
Gesprächen mit Heike Diekmann-Pohl von der Beratungsstelle hat ihm auch das
Schach spielen geholfen, seine Krankheit zu bewältigen. "Es bietet neben
dem Kennenlernen anderer Menschen auch den Effekt
der Verbesserung der Konzentration", erklärt Heimsoth. Und zumindest beim Schach
klappt die Sache mit der Konzentration auch ziemlich gut. So war Heimsoth nicht nur mehrfach Stadtjugendmeister, er nimmt
heute auch an internationalen Turnieren teil. Kein Wunder, dass sich die
Gegner kaum Chancen ausrechnen. Wie Vater Rolf Heimsoth,
der auch mitspielt und freimütig gesteht, nicht annähernd so gut zu sein wie
der Sohn. Für ihn bietet aber immerhin der enorme Zeitdruck beim Simultanschach
eine Chance: "Man kann noch so schlecht stehen", lacht er.
"Wenn der in Zeitnot kommt, dann gewinnt man." (hha) 27.09.2004 |